Die von Diskrups hupen rum und ärgern mich. Sehr.

Heute morgen war Sebastian von Diskrup hier. Mit seinem neuen Auto. Er fuhr bis vor das Tor, dann spielte er mit dem Motor. Ich wusste sofort, dass er hier war, um mich zu ärgern. Ja, ich glaube, ich spürte die Vibrationen seines V12 Motors schon, als er noch einen Kilometer entfernt war. Gut, ich weiss nicht wirklich, was ein V12-Motor ist. Doch ich weiss, es ist laut und teuer und besser als V8. 

Dann war er da.

Er klingelte nicht mal. Er hupte. Wie primitiv ist das denn?

Die Hupe spielte die Erkennungsmelodie aus Carmina Burana. Das war so typisch von Diskrup. Keiner von denen würde ein klassisches Konzert durchstehen. Sie haben die Aufmerksamkeitsspanne von Eichhörnchen. Damit will ich Eichhörnchen nicht beleidigen. Aber ihr müsst das verstehen. Ich sage Eichhörnchen, meine eigentlich wuschelschwanzlose Baumkriecher. Eigentlich sogar eher Ratten. Auch die Ratten will ich nicht beleidigen. Die sind echt klug. Ich habe mal einen Bericht über Ratten gesehen. Aber ich schweife ab. Es war so: 

Ich sass am Schmuckbestelltisch und wollte gerade neue Sets zusammenstellen, damit ich bei den Bestellungen nachkomme. Da hörte ich den Motor. Dann die Hupe. 

Ich atmete tief ein, doch es half nichts. In mir wütete bereits ein Sturm. Ich ging nach unten. Da war er. Neues Auto, neue Kleider. Er stand neben dem Auto. Trug eine Sonnenbrille und eine Mütze. Eine Mütze mit Karos!

Er hatte Sherlock gesehen. Offensichtlich. Das ärgerte mich noch mehr. Ich mag Sherlock. Ich will nicht, dass die von Diskrups die gleichen Dinge am Fernsehen schauen wie ich. 

Mir war sofort klar, dass meine Wut unkontrollierte Formen annahm. Und ich wusste, dass es doof ist, nicht zu wollen, dass die anderen die gleichen Dinge schauen. Ich konzentrierte mich auf das Auto und die Hupe und fokussierte meine Wut.

„Das ist verboten“, presste ich heraus. So muss es sein, wenn die Wehen einsetzen. (Klare Sache, das mit dem Kinderkriegen überlasse ich Stella).  

„Was ist verboten, Lady Vena?“ fragte Sebastian. Er betonte das "Lady" total affig. Irgendwie so, als sei es eine Beleidigung. Ich kann es nicht beschreiben. 

„Der Hupton darf nicht eine Melodie sein. Es muss ein Warnton sein“, sagte ich so sicher und schnippisch wie möglich. Ich hatte keine Ahnung. Doch es schien logisch. 

„Ich habe drei Huptöne, liebe Lady Tyler-Fort“, antwortete er, als sei ich eine Idiotin. 

Ich wechselte das Thema. 

„Was willst Du?“ 

„Dir das hier bringen.“ Er überreichte mir einen Umschlag. Von seinem Anwaltsrudel. 

„Spart Ihr beim Porto oder warum werden mir dauernd Briefe von Euren Anwälten persönlich überbracht?“

„Wir können es unserem Boten nicht zumuten, diese Trümmerstrasse hier hochzufahren. Zudem wollte ich sicher gehen, dass Du es annimmst. Es ist wichtig.“

Damit war das Gespräch für ihn beendet. Ich nahm den Umschlag und drehte mich so elegant wie möglich um. Alles, was ich hätte sagen wollen oder können, hätte mehrsilbige Fluchwörter umfasst.

Der Umschlag enthielt eine Kopie von einer superkomischen Klage. Ich las alles. Er war sehr deutlich und sehr gemein. 

Die von Diskrups hatten den Vertrag nochmals prüfen lassen und waren davon überzeugt, dass ich nicht auf der Burg bleiben dürfe, weil ich nicht von der Burg und ihren Ländereien lebe. Sie wollten, dass ich die Burg innerhalb von dreissig Tagen verlasse und dann alles versiegelt lassen, weil die Gefahr bestünde, dass ich die Burg entwerten würde. Sie unterstellten mir also, ich würde die Burg von innen heraus klauen oder zerstören. Oder so ähnlich. Die Trottel. Ich liebe die Burg. Sie wollen daraus einen idiotischen Club für neureiche Partyfreaks machen. 

Ich rief die Anwältin an. Sie fluchte so lustig beherrscht. Sie sagte „ diese Arrrr.....istrokraten. Diesen eleeee....ganten Klllll...äger.“ So beherrscht. So gar nicht, wie ich. Ich sagte, was sie dachte. Ich wiederhole es hier nicht. Falls Kinder mitlesen. 

Jedenfalls, die Anwältin hatte die Kopie auch bekommen.  Ich hatte es richtig verstanden. Sie wollten uns rauswerfen. Per Gerichtsentschluss. Oder so. Wir schickten E-Mails und Faxnachrichten an alle Familienmitglieder und trafen uns noch am gleichen Abend in der Schmuckburg. Das war vor drei Stunden. Jetzt sind alle wieder weg und wir haben eine Strategie. Die Strategie heisst: „Sollen Sie es nur versuchen.  Wir bleiben hier.“ Natürlich haben sie, wenn man den Vertrag wörtlich nimmt, recht. Aber es war immer so, dass die Burg mehr umfasste, als nur den Stein, aus dem sie gebaut war. Die von Diskrups wollten ja auch den Inhalt, nur deshalb wollten sie mir verbieten, weiter Dinge zu verkaufen. Und wer nimmt Verträge schon so wörtlich? Hallo? Was ist das denn für eine Art? Warum überlegt keiner, was wirklich gemeint war, mit der Klausel? 

Henriette sagte mehrfach, dass ihr das Ganze sehr seltsam vorkäme. Sie warf Stella und mir wissende Blicke zu. Ich versuchte, ebenfalls wichtig und wissend zurückzuschauen, doch ganz ehrlich, ich verstehe gar nichts mehr. 

Immerhin, der Schmuckversand läuft langsam richtig an. 

Ich bleibe also hier, bis man mich zwingt, auszuziehen. Und ich muss etwas essen. 

 

Und dann geschah noch dies: Herr Strauch hat mich angerufen. Ich bin vor Schreck fast in eine Kommode geknallt. Einmal mehr. Ich muss eine erbbedingte Fallsucht, oder besser Knallsucht haben. Er hat diese Klage auch bekommen. Ich rechnete fest damit, dass er sich vor Schadenfreude kugeln würde, doch ich irrte mich. Er fing an, sehr böse über die arroganten von Diskrups zu fluchen und drohte sogar, denen eine umfassende Steuerprüfung zukommen zu lassen. Ich war über so viel Solidarität schockiert und gerührt. Vor allem aber verwirrt. 

Er sagte, ich solle mich nicht sorgen. Die würden damit nicht durchkommen. 

Dann fragte er noch, wie weit wir mit der Liste seien. Ich sagte, wir würden daran arbeiten. Das war gelogen. Ich kann ja nicht alles gleichzeitig erledigen. Doch ich beschloss, mich um die Sache zu kümmern.

Ich rief Henriette an. Sie war am Einkaufen und konnte nicht reden. Sie vertrat die Meinung, dass man nur etwas auf einmal tun sollte. Einkaufen erforderte die ganze Aufmerksamkeit. Vielleicht war das ihr Stilgeheimnis. Sie schenkte dem Einkaufen ihre ganze Aufmerksamkeit. 

Da sie nicht mit mir reden konnte, rief ich Stella an. Sie war ebenfalls am Einkaufen, doch sie konnte gleichzeitig telefonieren. Ihre Meinung war deutlich: Der Typ von den Steuern hat Angst um seine Steuereinnahmen. Deshalb tut er so nett. Der will ja auch nicht, dass die von Diskrups die Burg zu früh bekommen. Er will, dass wir möglichst lange gefoltert werden, um so noch irgendwie ein bisschen Steuern aus uns rauszupressen. 

Stella hatte ein klares Feindbild. 

Ich bin mir nicht sicher. Ich bin verwirrt.